Forschungsschwerpunkte
Das Forschungsprofil der Professur für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung umfasst folgende Bereiche:
- Europäisches Privatrecht,
- Internationales Privat- und Verfahrensrecht,
- Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung,
- Medien- und Kommunikationsrecht sowie
- Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht.
Europäisches Privatrecht
Das Europäische Privatrecht unterliegt infolge der Vorgaben des Unionsrechts einem tiefgreifenden Wandel. Das Unionsprivatrecht wird durch den europäischen Gesetzgeber unterstützt und durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zusehends erweitert und verdichtet. Diesem schrittweisen Vorgehen fehlt eine Systematik wie man sie von nationalen Zivilrechtsordnungen her kennt – z.B. vom BGB aus dem Jahr 1900 oder dem Code Civil von 1804. Ein weiterer Unterschied besteht bei der Rechtsverwirklichung: Während die Nationalisierung des Zivilrechts in Deutschland zunächst die entsprechenden Grundlagen durch eine Vereinheitlichung der territorialen Verfahrensrechts- und Gerichtsverfahrensordnungen in Deutschland (ZPO, GVG) gelegt hat, setzt das Unionsrecht auf die mitgliedstaatlichen Gerichte, deren Ordnungen weitgehend unvereinheitlicht geblieben sind. (Allerdings wurden wichtige Fragen der Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten unioniert, was zum gleich darzustellenden Bereich des Internationalen Zivilverfahrensrechts zählt.)
Besonderes Augenmerk liegt auf den verschiedenen Richtlinien und Verordnungen zum Vertrags-, Delikts- und Wirtschaftsrecht, der Methodik sowie der EuGH-Rechtsprechung. Kennzeichnend für diesen Forschungszweig ist die 2012 bei Mohr Siebeck erschienene über 600-seitige Monographie „Europäische Gerichtsbarkeit auf dem Gebiet des Zivilrechts – Strukturen, Entwicklungen und Reformperspektiven des Justiz- und Verfahrensrechts der Europäischen Union“. Das Buch, das auch rechtsvergleichende und interdisziplinäre Perspektiven aufzeigt, ist vielfach besprochen und zitiert worden, so etwa in der FAZ und vom Unterhaus des Vereinigten Königreichs. S. auch die Buchvorschau. Die Aufsätze zum Verbraucherrecht wurden zudem mehrfach in Schlussanträgen von Generalanwälten am EuGH zitiert.
Vor diesem Hintergrund widmen sich die Forschungen folgenden Fragestellungen: Was bewirkt die sektorale und überwiegend der Binnenmarktintegration dienende Überlagerung und Verdrängung des nationalen Zivilrechts? Welche methodischen Konsequenzen zieht der Wandel für die Auslegung von BGB-Vorschriften nach sich? Welche Rolle nimmt die Rechtsprechung des EuGH dabei ein? Ist der EuGH überhaupt dafür geeignet, als föderales Zivilgericht zu fungieren?
Internationales Privat- und Verfahrensrecht
Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Befassung mit grenzüberschreitenden Sachverhalten. Damit sind zwei Materien berührt. Dazu zählt zunächst das Internationale Privatrecht (IPR). Dieses synonym auch als Kollisionsrecht bezeichnete Rechtsgebiet beantwortet, welches Recht auf einen grenzüberschreitenden Sachverhalt anwendbar ist. Außerdem stellen sich bei grenzüberschreitenden Sachverhalten Fragen des Internationalen Verfahrensrechts (IZVR). Das IZVR klärt, welches Gericht bei Berührungen zu mehreren Staaten zuständig ist und wie ausländische Entscheidungen z.B. in Deutschland und Europa anzuerkennen und zu vollstrecken sind.
Die meisten IPR- und IZVR-Fragen des Wirtschafts-, Familien- und Erbrechts (bis auf die Fragen der Eheschließung und des Sachenrechts) werden heute vom Recht der Europäischen Union bestimmt. Da mittlerweile also auch das internationale Familien- und Erbrecht weitgehend vom EU-Gesetzgeber geregelt ist, beschränkt sich die Vereinheitlichung nicht auf Wirtschaftssachverhalte, wie es noch am Anfang der Europäisierung des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts mit den Rom I- und Rom II-Verordnungen bzw. der Brüssel I-Verordnung der Fall war. Vor allem die Rom III-Verordnung zum Scheidungsrecht und die EuErbVO haben die Bedeutung des rein deutschen Rechts in den letzten Jahren weiter geschmälert. Damit schmelzen die noch vom EGBGB – also vom deutschen IPR – geregelten Bereiche rasant dahin.
Im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht ist ein wichtiges Projekt die grundlegende Überarbeitung und Fortentwicklung eines Studienbuches von Peter Hay. Als Ergebnis dieser Bemühungen ist es 2016 in fünfter Auflage bei C.H. Beck veröffentlicht worden. Das Buch deckt anhand von 229 Fällen den gesamten Stoff des Internationalen Privatrechts auf besonders anschauliche Art und Weise ab. Dabei geht das Buch von der praktischen Anwendung des Rechtsgebiets aus und behandelt zunächst die Grundzüge des Internationalen Zivilprozessrechts, also die Rechtsprobleme, die sich bei der Anrufung eines Gerichts in einem Fall mit Auslandsberührung zunächst stellen. Im Anschluss daran werden die allgemeinen Fragen des Kollisionsrechts und abschließend die Anknüpfungen für die einzelnen Gebiete des Privatrechts dargestellt.
In diesem Bereich lässt sich außerdem die Mitarbeit an der European Encyclopedia of Private International Law sowie ein RabelsZ-Aufsatz über die Rechtswahlfreiheit im Internationalen Scheidungsrecht (SSRN) anzuführen.
Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung
Ein dritter Schwerpunkt liegt auf der rechtsvergleichenden Forschung. Hier interessiert v.a. der Kontrast zwischen dem kontinentaleuropäischen Rechtskreis (Civil Law) und dem anglo-amerikanischen Rechtskreis (Common Law). Das anglo-amerikanische Recht weist einige Unterschiede auf. So verfügt es über keine Kodifikationen des Zivilrechts. Stattdessen wird das Recht durch führende Richterpersönlichkeiten stückweise fortgeschriebenen. Teils finden sich im (etwa in den USA mit dem Uniform Commercial Code oder in England mit dem Sale of Goods Act 1979) legislative Bruchstücke. In den gesetzlich ungeregelten Bereichen lebt das Fallrecht fort. Damit das Recht nicht von Fall zu Fall, von Richter zu Richter schwankt, sind untere Gerichte des anglo-amerikanischen Rechtskreises an die Entscheidungen oberer Instanzen gebunden (stare decisis). Die Bindung – die sich allerdings nicht auf das gesamte Urteil, sondern nur die tragenden Gründe, die sog. ratio decidendi, bezieht – bannt die Gefahr, dass das richterliche Pendel einmal in diese und das nächste Mal in die andere Richtung schlägt. Besonderes Augenmerk gilt in diesem Bereich den Methodenfragen, wie etwa dem „prospective overruling“ im US-amerikanischen Recht.
Ein Forschungsinteresse liegt auch in der weltweiten Vereinheitlichung des Kaufrechts. Dazu zählt insbesondere das von Ernst Rabel vorgeschlagene UN-Kaufrecht, auf Englisch „Convention on the International Sale of Goods – CISG“ (s. dazu den RabelsZ-Aufsatz). Zu dem weiteren Aufgabenbereich gehört auch die Gesetzgebungsberatung. Sie umfasst das gesamte hier vorgestellte Spektrum. Derzeit ist die Professur mit der Gesetzgebungsberatung für Vietnam betraut, das eine umfassende Reform seines Zivilrechts plant.
Medien- und Kommunikationsrecht
Ein besonderes Anliegen ist das ständigen Veränderungen unterliegende Medien- und Kommunikationsrecht. Die Neuerungen betreffen nicht nur die Digitalisierung von Inhalten mit ihren grundlegenden Folgen für das Medienschaffen, die Vertriebs- und Geschäftsmodelle und die Reaktionen des Nutzerverhaltens, sondern auch die damit einhergehende Verschmelzung klassischer Sektoren wie Presse und Rundfunk, die Etablierung neuer Kommunikationsformate, ein verändertes Privatsphärenverständnis, die Zunahme nutzergenerierter Inhalte, der Bedeutungsverlust ehemaliger „Gatekeeper“ sowie die Zunahme grenzüberschreitender Sachverhalte. Das macht es zunehmend erforderlich, Medien- und Kommunikationsrecht nicht nur als einen losen Oberbegriff für eine Vielzahl die Medien betreffender Rechtsmaterien zu begreifen, sondern es als ein eigenständiges Rechtsgebiet zu behandeln und zu erforschen.
Aus diesem Grund wurde an der Universität Siegen im Jahr 2015 das Institut für Medien- und Kommunikationsrecht (IMKR) eingerichtet. Professor Rösler zählt zu den Gründungsdirektoren des IMKR, dessen Auf- und Ausbau des Instituts einen wesentlichen Schwerpunkt der Professur bildet. Zu den vom IMKR abgedeckten Rechtsmaterien gehören das Presse-, Rundfunk- und das sonstige Informationsrecht sowie das Datenschutzrecht, Teile des Immaterialgüterrechts, benachbarte Rechtsgebiete (soweit sie moderne Kommunikationswege betreffen) und darauf bezogene Aspekte des Technikrechts.
Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht
Forschungsinteresse besteht am Recht des Wirtschaftsverkehrs insgesamt. Das betrifft in erster Linie das Vertragsrecht. Vielfach beachtet werden die Beiträge zur Lehre der Geschäftsgrundlage (z.B. Grundfällereihe in der Juristischen Schulung [JuS] 2004, 1058 ff., JuS 2005, 27 ff., 120 ff.). Zu nennen ist außerdem der im Archiv für die civilistische Praxis (AcP) erschienene Aufsatz „Arglist im Schuldvertragsrecht – Zum Schnittfeld von vorsätzlicher und fahrlässiger Fehlinformation“ (AcP 207 [2007], 564 ff.). Der Bundesgerichtshof hat ihn in zwei Grundsatzentscheidungen zitiert (BGHZ 180, 205 = NJW 2009, 2120; BGHZ 201, 290 = NJW 2014, 3229). Ein Fokus liegt derzeit auf den Folgen technologischer Veränderungen, namentlich auf der Produkthaftung für Software.
Wie ausgeführt wird außerdem zu den Schnittstellen zwischen deutschem Zivilrecht und Unionsprivatrecht geforscht. Das trägt dem oben unter „Europäisches Privatrecht“ dargelegten Bedeutungszuwachs des Unionsrechts Rechnung. Der Einfluss bleibt kompetenzbedingt auf gewisse Bereiche – wie z.B. die Binnenmarktintegration, den Verbraucherschutz oder das Anti-Diskriminierungsrecht – beschränkt, was zu Abstimmungsfragen und Spannungen führt (vgl. Europäisches Konsumentenvertragsrecht, 2004). In handelsrechtlicher Hinsicht sind rechtsvergleichende Fragestellungen und das UN-Kaufrecht hervorzuheben. Aus dem Bereich des Wirtschaftsrechts interessieren zudem das Recht des unlauteren Wettbewerbs und das Urheberrecht.
Hinweis: Für Nachweise zu den Schriften, Vorträgen und Lehrveranstaltungen siehe die entsprechenden pdfs auf der Seite „Zur Person“.